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Systemische Therapie

In der Systemischen Therapie werden soziale oder psychische Auffälligkeiten nicht als „krank“ bzw. pathologisch, sondern als prinzipiell verstehbare Reaktion auf Probleme oder Anforderungen gesehen, die gelegentlich selbst problematisch sein können. Dazu ein Beispiel: Angst vor etwas zu haben, ist eine verstehbare Reaktion auf eine Situation (z.B. eine Gefahr). Jetzt kann diese Reaktion auch eintreten, wenn wir einen Text oder Test schreiben sollen. Dann haben wir eine problematische Reaktion auf eine Situation, die wir gemeinsam nachvollziehen können.

Aus diesem Grund sind, in der Systemischen Therapie, Diagnosen selten bis gar nicht erforderlich. “Wem nutzt eine Diagnose?” oder “Welches Problem löst die Diagnose?” sind zentrale Fragen der Abgrenzung zu den anderen therapeutischen Schulen von der Systemischen Therapie.

Als wichtigster Startpunkt einer Systemischen Therapie hat sich eine möglichst präzise Auftragsklärung im Verhältnis von Klient/Kunde (die Bezeichnung Patient wird überwiegend abgelehnt) und Therapeut herausgebildet. Sind Ziele konkretisiert und für Klienten/Kunden und Therapeuten akzeptabel, kann die eigentliche Therapie beginnen. Sollte sich eine Therapie über mehrere Sitzungen erstrecken, empfiehlt sich eine gelegentliche neue Auftragsklärung, da sich Ziele über die Zeit einer Therapie ändern können. Als präferierte Form werden wenige Termine pro Therapie mit wenn möglich größeren zeitlichen Abständen zwischen den einzelnen Sitzungen gesehen, in denen die Klienten/Kunden eventuelle neue Erkenntnisse aus den Sitzungen in ihrer eigenen Lebenspraxis ausprobieren und/oder so genannte Hausaufgaben erledigen können. Insofern zeichnet sich die systemtherapeutische Vorgehensweise durch Sparsamkeit aus, die den Schwerpunkt auf Eigeninitiative des Klienten/Kunden setzt.


Theoriegeschichte

Ab den 1950 Jahren entwickelte sich das familientherapeutisches Denken durch Nathan Ackerman. Demnach ist es so, wenn eine Störung bei einem Kind vorlag, wird die gesamte Familie einbezogen. Der Schüler Ackerman, Salvador Minuchin, entwickelte die strukturelle Familientherapie. In der strukturellen Familientherapie bekommen familiärer Subsysteme (wie Eltern-, Kind-Systeme) einen hohen Stellenwert. Als Schüler Minuchin, Beatson und Erickson entwickelte Jay Haley die strategische Familientherapie. Er beschrieb mit dem perversen Dreieck eine in Familien häufig grundlegend dysfunktionale (Kommunikations-)Struktur, was als “dysfunktionale” Triade in die Familientherapie Einzug fand und als relevantes Störungsmuster weiterhin Beachtung findet.

Des Weiteren arbeitete, in den 1950er Jahren, Virginia Satir bereits mit Familienskulpturen. 1956 wurde in einem Forschungsbericht die Wirkung von Doppelbotschaften als paradoxes Kommunikationsmuster in zwischenmenschlichen Beziehungen und die wissenschaftsgeschichtlich prominente „Doppelbindungstheorie“ (engl. „double bind theory“) veröffentlicht. Die Vorarbeiten zum Themenkomplex Kybernetik durch Norbert Wiener war eine wichtige Voraussetzung dieser Entwicklungen. Auf dieser Basis entwickelte sich dann das neue Konzept der Familientherapie. Der problemlösende Ansatz der systemischen Therapie wurde in den 1950er Jahren am Mental Research Institute (MRI) von Palo Alto in Kalifornien von Don D. Jackson, Gregory Bateson, John Weakland und Richard Fisch entwickelt. Es entstand die Palo-Alto-Schule, aus der viele wichtige Familientherapeuten inspiriert wurden.

Die systemische Familientherapie entstand mit Mara Selvini Palazzoli und ihrer Mailänder Gruppe ab 1971. Im Jahre 1973 veröffentlichte Iván Böszörményi-Nagy seine Invisible loyalties, “Reciprocity in intergenerational family therapy”, was als frühes Grundlagenwerk der Familientherapie gilt. Von ihm stammen die Begrifflichkeiten Loyalität, Parentifizierung, Ausgleich (der Beziehungskonten bzw. Gerechtigkeit) und Ordnung in familientherapeutischen Kontexten.

In den 1980er Jahren rückte die gleichstellung von Familie- und Systemischer Therapie in den Hintergrund (konstruktivistische Wende). Mit der Zeit haben sich methodisches Vorgehen und zugrundeliegende Annahmen differenziert, so dass sich heute mehrere Schulen voneinander abgrenzen: strukturelle und strategische Familientherapie, aber auch Familientherapie mit mehreren Generationen (Mailänder Modell und Heidelberger Schule), narrative Ansätze (nach Michael White oder Harold A. Goolishian), Familienskulpturen nach Virginia Satir, die lösungsorientierten Ansätze der Schule von Milwaukee.

Gegenwärtig orientiert sich die Systemische Therapie an drei übergeordneten Theoriesträngen:

  • Selbstorganisation
  • Autopoiesis (Luhmann 1984)
  • Narrativer Ansatz

Das Mailänder Modell

Einen wesentlichen theoriegeschichtlichen, aber auch praktischen Ansatz in der (systemischen) Familientherapie stellt das Mailänder Modell der Gruppe um Mara Selvini Palazzoli, Luigi Boscolo, Gianfranco Cecchin und Giuliana Prata dar. Sie wurden kontinuierlich unterstützt von Paul Watzlawick, der regelmäßig nach Mailand reiste und die Ergebnisse des dortigen Zentrums für Familientherapie mit den Therapeuten diskutierte. Die Mailänder Gruppe erzielte in kurzer Zeit Erfolge bei schizophrenen Familienmitgliedern und bei Essstörungen.

Eine prägende Methodik und Vorläufer des reflektierenden Teams war die Zwei-Kammer-Methode, bei der Therapeut und Klienten in einem Raum saßen und räumlich getrennt von den Co-Therapeuten beobachtet wurden. Diese verfolgen die Therapie durch Einwegscheibe oder Videoübertragung. Behandelnde und beobachtende Therapeuten besprechen das Konzept der Therapiesitzung (Hypothesendiskussion). Das Gespräch führt der eigentliche Therapeut. Gegebenenfalls halten Therapeut und Co-Therapeut(en) während kurzer Unterbrechungen Rücksprache. Nach Ende des Gesprächs berät sich das Therapeutenteam, um eine optimale Abschlussintervention (z. B. eine Hausaufgabe oder eine Symptomdeutung) zu finden, die den Klienten direkt im Anschluss mitgeteilt wird. Sinn dieser Intervention ist, das System (aus Familienmitgliedern und wichtigen anderen Personen) in ihren Interaktionsmustern zu verstören und sekundär die beklagte Symptomatik zu verändern.

Reflecting Team

Vom norwegischen Sozialpsychiater Tom Andersen wurde das therapeutische Setting um das so genannte Reflecting Team erweitert. Dabei tauschen (in der Regel) am Ende einer Therapiesitzung Therapeut und Klient(en) mit dem Co-Therapeuten-Team die Plätze. Therapeut und Klient(en) beobachten nun, wie das Co-Therapeuten-Team das bisherige Geschehen aus ihrer Sicht in einer hilfreichen und unterstützenden Art und Weise reflektiert. Der erhöhte Aufwand (mehrere Therapeuten) bringt eine höhere Vielfalt der Perspektiven, vermindere Therapiefehler und Einseitigkeiten und werde mit hoher Effektivität belohnt.

Virginia Satir

Virginia Satir gilt als Mutter der systemischen Therapie. Sie hat das systemische Repertoire und die Methodik erweitert und weiterentwickelt – durch Familienskulptur, Familienrekonstruktion, Parts Party. Dadurch können biographische Muster und generationsübergreifende Problemstellungen entdeckt und bearbeitet werden, bzw. bei der Parts Party eigene Persönlichkeitsanteile sichtbar gemacht und integriert werden. Satirs Arbeit gilt als Vorläuferin der systemischen Aufstellungsarbeit. Die Amerikanerin Virginia Satir gab viele Seminare in Europa und beeinflusste nicht nur die systemische Psychotherapie, sondern war neben Fritz Perls (Gestalttherapie) und Milton H. Erickson (Hypnotherapie) Vorbild für das Neuro-Linguistische Programmieren (NLP).

Heidelberger Schule

Der deutsche Psychoanalytiker und Pionier der Familientherapie Helm Stierlin war von 1974 bis 1991 Inhaber des Lehrstuhls für Psychoanalytische Grundlagenforschung und Familientherapie der Universität Heidelberg. Um ihn sammelte sich ein Kreis junger und engagierter Therapeuten, die Heidelberger Schule, und propagierte den narrativen Ansatz, Mehrgenerationenperspektive, Genogramm und Paartherapie. Zu Stierlins Mitarbeitern zählten Arnold Retzer, Gunther Schmidt, Fritz B. Simon und Gunthard Weber.

Narrativer Ansatz

Beeinflusst von Michel Foucault (1980) wird der in der Systemischen Therapie häufig angewandte narrative Ansatz auf Michael White (1990) und David Epston (1992) zurückgeführt. Dabei handelt es sich um ein poststrukturalistisches Postulat, dass individuale sowie gesellschaftliche Phänomene aus sprachlichen Überlieferungen und anschließenden Manifestationen von Wirklichkeitskonstruktionen resultieren. Die Identität des Individuums wird demnach als narrativ gebildet und insofern als de- bzw. rekonstruierbar verstanden.

Therapeutischer Dialog und Autonomie des Klienten


Als Leitfiguren des narrativen Ansatzes gelten außerdem Harold A. Goolishian und Harlene Anderson (1988), die den therapeutischen Dialog sowie die Autonomie des Klienten in der Systemischen Therapie begründeten.

Aufstellungsarbeit

Während die Familienaufstellung nach Hellinger von der Systemischen Therapie als „zu phänomenologisch“ und „zu direktiv“ abgelehnt wird, werden Systemaufstellungen, wenn diese dem narrativ-konstruktivistischen Ansatz entsprechen, heute in der Systemischen Therapie im deutschen Sprachraum hauptsächlich nach Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd durchgeführt.

Schule von Milwaukee

Insoo Kim Berg und Steve de Shazer konzipierten in Milwaukee die lösungsfokussierte Kurzzeittherapie. Philosophisch beeinflusst vom österreichischen Philosophen Ludwig Wittgenstein geht dieser Ansatz davon aus, dass Problem und Lösung zwei verschiedenen Welten angehören. Die Problemstellung tritt in den Hintergrund, ebenso die Familie als System (mit den Familienmitgliedern als Entitäten). Von Milton H. Erickson inspiriert, versteht Steve de Shazer das gesamte „Therapiegeschehen“ als Prozess der Entwicklung und Loslösung vom jeweiligen Problem. Wichtige Instrumente der lösungsfokussierten Kurzzeittherapie sind eine Problemskalierung (zwischen 1 und 10 nach Belastungsgrad) und der Interventionsablauf, der als Wunderfrage bezeichnet wird.


Wissenschaftliche Anerkennung

In Deutschland wird seit Ende 2008 die Systemische Therapie als wissenschaftliches Psychotherapieverfahren anerkannt. Bestätigt wird die Wirksamkeit der Systemischen Therapie in der Behandlung von Erwachsenen bei:

  • affektiven Störungen (ICD-10: F3x),
  • Essstörungen (ICD-10: F50),
  • psychischen und sozialen Faktoren bei somatischen Krankheiten (ICD-10: F54),
  • Missbrauch und Abhängigkeiten (substanzgebunden und nicht-substanzgebunden) (ICD-10: F1x, F55, F63),
  • Schizophrenie und wahnhaften Störungen (ICD-10: F2x).


In der Behandlung von Kindern und Jugendlichen stellte der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie darüber hinaus eine wissenschaftliche Anerkennung für folgende Anwendungsbereiche fest:

  • Affektive Störungen (ICD-10: F30 bis F39) und Belastungsstörungen (ICD-10: F43),
  • Essstörungen (ICD-10: F50) und andere Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen (ICD-10: F5x),
  • Verhaltensstörungen (ICD-10: F90 bis F92, F94, F98) mit Beginn in der Kindheit und Jugend sowie Tic-Störungen (ICD-10: F95),
  • Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (ICD-10: F60, F62, F68 bis F69),
  • Störungen der Impulskontrolle (ICD-10: F63),
  • Störungen der Geschlechtsidentität und Sexualstörungen (ICD-10: F64 bis F66),
  • Abhängigkeit und Missbrauch (ICD-10: F1x, F55),
  • Schizophrenie und wahnhafte Störungen (ICD-10: F20 – F29).


Die Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer NRW hat in ihrer Sitzung am 23. Mai 2014 eine Änderung der Weiterbildungsordnung beschlossen, welche u. a. angibt, die Systemische Therapie sei „ein gemäß § 11 PsychThG wissenschaftlich anerkanntes psychotherapeutisches Verfahren zur Feststellung, Heilung und Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist“.


Schlusswort

Mein system therapeutischer Ansatz wird noch ergänzt durch die Hypnosetherapie nach Milton H. Erickson, welche in dieser Kombination auf Gunther Schmidts hypnosystemische Therapie zurück geführt werden kann.
Für mich ist es wichtig, zu erwähnen, dass ich in meiner Therapie einen Ansatz der “radikalen Selbstbestimmung” des Klienten/Kunden pflege. D.h. Du bestimmst den Verlauf und Ablauf der Sitzungen. Schließlich bist Du auch Experte für deine Situation. In meinem Konzept ist kein Platz für Ablasshandel und -therapie. Das bedeutet für dich, hier bist du gefragt. Willst du dich verändern und einen neuen Weg einschlagen? Super, dann komm zu mir. Oder möchtest du auf alten Pfaden weiter wandern? Dann bin ich definitiv der falsche Therapeut für dich.

Um das herauszufinden klicke unten rechts auf den Button und vereinbare ein Erstgespräch mit mir, da können wir schauen, ob du nach neuen Ufern aufbrechen möchtest oder in deinem gallischen Dorf verharren willst.

Denn


Veränderung beginnt im Kopf!

dein 

Marcel